Schlagwort: Leben

  • Owen

    Ich hatte in der Schule einen allerbesten Freund. Der war auch Außenseiter. O. hatte tiefschwarze Haare, die ihm seine Mutter als Topf schnitt. Er kam aus Kanada, ich aus Blankenese — für die Mitschüler war beides weit weg. O. mochte die Schule nicht und blieb ihr fern. Und da ich O. lieber mochte als Erdkunde…

  • Rote Badehose

    Als Kind habe ich mich stundenlang im Wasser aufgehalten. War quasi mit meiner Taucherbrille und dem Schnorchel verwachsen. Die meisten Bilder aus dieser Zeit zeigen eine rote Badehose, die sich gen Himmel reckt, als ich wieder einmal hinunter tauche, Seeigelskelette sammeln. Manchmal auch lebende, um störende Badekonkurrenz zu vertreiben. Ich konnte ganz schön lange da…

  • Richtig loslassen

    Loslassen ist ein Tuwort. Tu die Dinge, die Du loswerden willst, die von gestern und davor in eine Schale und zünde sie an. Oder laufe nackt mit Räucherstäbchen durch deine Bude und vertreibe ihren letzten Fitzel Duft, egal, was die Nachbarin denkt. Zelebriere – mit echten Sachen, hefte das Verbrauchte an ein Objekt — einen…

  • I-Ging 56 – „Der Wanderer“

    Einführung in das I Ging Das I Ging, auch bekannt als das „Buch der Wandlungen“, ist eines der ältesten chinesischen Orakelbücher und hat eine tiefgreifende spirituelle und philosophische Bedeutung. Es besteht aus 64 Hexagrammen, die jeweils aus sechs Linien bestehen, die entweder durchgezogen (Yang) oder unterbrochen (Yin) sind. Diese Hexagramme repräsentieren verschiedene Zustände und Situationen…

  • Petras Moment

    Petra war schon seitdem sie denken konnte korrekt. Nur logisch, dass sie Beamtin wurde. Sie war immer pünktlich. Sie hielt sich an die Ordnung, die sie vorfand. Nie im Leben würde sie über eine rote Ampel gehen. Ihr Leben war dadurch einfach und sicher. Bis heute. Der Stau vor der Bundesstraße löste sich gerade auf,…

  • Farce auf den Marianen

    Muss heute an meine 1. Gerichtsverhandlung denken. Ich war von einem angepischten Staatsanwalt der „Falschaussage“ angeklagt worden. Folge eines Prozesses, bei dem er vom Richter wg seines Umgangs gerügt wurde. Ich hatte einen guten Anwalt (Italienisch) und genug Geld (D-Mark); wollte der blanken Macht nicht nachgeben. Also feilschen wir vor Beginn mit dem Richter um…

  • Ruby Rubin

    Seit einiger Zeit nannte sie sich „Ruby“. Das klang schöner als ihr Geburtsname, fand sie. Und wer sagt denn, dass man einen Namen behalten muss, womöglich das ganze Leben. Ihre Mutter nannte sie stur Petra. Sie konnte das nicht verstehen. Ihre Lieblinge aber, denen sie zuhause ein neues Heim gab, die verstanden es. Auch wenn…

  • Im Alter Lebenstraum

    Im Alter Lebenstraum

    Jedes Mal wenn W. aus dem Urlaub Fotos schickt, frage ich mich, ob das immer noch so ist, dass pittoreske italienische Dörfer auf neue Bewohner hoffen, weil die alten verschwinden. Quasi McPomm in lebenswert. Ich träume mich dann auf den Marktplatz, an dem ich jeden Tag sitze. Ich trinke Espresso und schaue dem Dorf beim…

  • Am 1. Mai geöffnet

    Am 1. Mai geöffnet

    Es gibt ein untrügliches Zeichen, dass in dem kleinen Dorf an der Ostsee die Saison nun bald losgeht: wenn der Kaufmann sonntags und feiertags offen hat, ist der Winter offiziell vorbei. Am 1. Mai isses hier an der Außenförde soweit. Herr Schröder, fest mit seinem Laden verwachsen wie alle kleinen Kaufleute im Norden, wird nun…

  • Altonaer Zuckerfest

    „Eid Mubarak“ heißt der Gruss, den sich praktizierende Muslime am Neumond nach dem Fasten zurufen. In der Heimat meiner Kinder ein Fest, das sich in die lokale Kultur eingewoben hat. Ich denke immer wieder gerne an das gemeinsame Feiern des „Zuckerfestes“ in der Altonaer Grundschule meiner Kinder. Ein kleiner Moment, der die protestantisch geprägte Mehrheitsgesellschaft…

  • Stille Sucht

    „Ich weiss nicht genau, wann ich damit angefangen habe. Nur an eines kann ich mich genau erinnern: ich mochte es zu Anfang nicht“, sagte er irgendwie beiläufig als ich in die Straße einbog, in der wir beide seit 25 Jahren leben. „Was?“, fragte ich. „Zigaretten oder Bier? — ich mochte lange kein Bier“, sagte ich.…

  • Gift

    Wann war der Moment, als im Deutschen das Wort für Geschenk zur Beschreibung lebensbedrohlicher Substanz wurde? Beide kommen von Außen. Da ist jemand, etwas, das es uns verab- oder hinreicht. „The gift“, oder auch „de Gift“ im Plattdeutschen, das Hingegebene, wurde im Deutschen zum Gift. Das Verabreichte — das tödliche Grausen. Manchmal von anderen, den…